Globale Partnerschaft: Wie eine Welt ohne extreme Armut und Umweltzerstörung möglich wird

Sparkasse Singen-Radolfzell
Singen, 19. November 2015



I.

Ich freue mich, heute hier in Singen zu sein. Meine Neugier auf Deutschland lässt auch mit zunehmendem Alter nicht nach, und so freue ich mich über jeden Termin jenseits von Berlin. Das gilt natürlich gerade auch für Begegnungen in meiner Heimat Baden-Württemberg. Dabei versichere ich Ihnen, meine Damen und Herren: Ich als zugewanderter Schwabe bin mir sehr wohl bewusst, dass ich mich auf badischem Boden befinde. Vielen Dank für die Gastfreundschaft!

Wie Sie den Ankündigungen schon entnehmen konnten, lautet der Titel meiner Rede „Globale Partnerschaft: Wie eine Welt ohne extreme Armut und Umweltzerstörung möglich wird“. Da mögen sich einige von Ihnen gedacht haben: „‘Eine Welt ohne Armut und Umweltzerstörung‘ – geht’s vielleicht auch ne Nummer kleiner, Herr Köhler?“. Andere mögen sagen: „Na, der ist vielleicht naiv“. Klingt „globale Partnerschaft“ nicht ein bisschen abgehoben in dieser Zeit der Krisen und Konflikte, wo so vieles auseinanderzufallen scheint in der internationalen Politik?

Nun, ich gebe zu, ich habe mir sicherlich kein einfaches Thema gewählt. Aber naiv? Nein. Ganz im Gegenteil: die Frage, wie wir eine Welt schaffen können, in der alle Menschen ein Leben in Würde führen können, und zwar innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten – diese Frage ist zu einer Überlebensfrage der gesamten Menschheit geworden. Damit geht sie gerade uns in den wohlhabenden Ländern viel direkter etwas an, als wir bisher wahrhaben wollten – die Flüchtlingskrise ist nur ein Vorzeichen dafür, da komme ich später noch einmal darauf zurück. Die Schicksale der Völker dieser Erde haben sich in einem solchen Maß und in einer solchen Geschwindigkeit miteinander verwoben – ökonomisch, ökologisch, sozial, und auch moralisch – dass business as usual nicht mehr weiterhilft. Wir brauchen dringend neues Denken, einen Paradigmenwechsel, der dieser Wirklichkeit der gegenseitigen Abhängigkeit endlich auch politisch Rechnung trägt. Die nationale Politik muss sich in einen globalen Kontext stellen. Und die internationale Politik braucht einen neuen Geist des Miteinanders und ein neues Leitmotiv der Zusammenarbeit, um die großen globalen Herausforderungen unserer Zeit anzupacken. Sie braucht den Geist und das Leitmotiv der echten Partnerschaft. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur nötig, sondern vor allem auch möglich ist: nicht trotz, sondern gerade wegen aller gegenwärtigen Krisen.

Das sage ich auch vor dem Hintergrund der furchtbaren Anschläge in Paris und Beirut in der letzten Woche. Es geht uns da wohl allen ähnlich – diese Willkür und Enthemmung der Gewalt, das macht uns betroffen, wütend, vielleicht auch hilflos. Angst kommt auf. Umso wichtiger, glaube ich, ist jetzt Besonnenheit. Wir dürfen uns keinen Kulturkampf aufdrängen lassen. Die Opfer des IS sind Muslime, Juden und Christen, sie sind Russen und Amerikaner, Franzosen und Libanesen. Der IS und seine Schlächter richten sich gegen einen zivilisatorischen Grundkonsens, den alle Kulturen auf der Welt teilen. Nicht zuletzt Hans Küng hat mit seinen Arbeiten zum Weltethos daran erinnert, dass es in allen großen Religionen die sogenannte goldene Regel gibt: Behandle die anderen so, wie du selbst auch behandelt werden möchtest. Wir müssen uns gerade jetzt auf diesen Grundkonsens neu besinnen, müssen gerade jetzt neue Wege der Partnerschaft zwischen allen Nationen finden. Für diese Besinnung hilft ein Blick auf die ganze Welt, und ein Blick in die Zukunft. Ich möchte in meinem heutigen Vortrag versuchen, diesen globalen und langfristigen Blick ein wenig zu schärfen.

II.

Meine Damen und Herren,

neulich habe ich meiner 6-jährigen Enkelin versucht zu erklären, warum ich ihr vor dem ersten Advent keinen Lebkuchen kaufe: Advent hat etwas mit Erwartung, mit Warten zu tun. Das Gespräch mit ihr hat mich erinnert an den berühmten Marshmallow-Test, von dem einige von Ihnen vielleicht schon gehört haben. (Marshmallows, das sind diese furchtbar süßen Schaumzuckerteilchen, auf die die Amerikaner so stehen). An der Universität Stanford hat der Psychologe Walter Mischel in den 60ern und 70ern mit Vorschulkindern ein Experiment durchgeführt: die kleinen Versuchsteilnehmer wurden vor die Wahl gestellt, entweder sofort ein Marshmallow zu essen – oder aber ein bisschen damit zu warten, dann würden sie mit zwei Marshmallows belohnt werden. Langzeitstudien haben später gezeigt: die Kinder, die warten konnten, waren im späteren Leben sozial und schulisch kompetenter, stressresistenter und in der Regel beruflich erfolgreicher.

Offenbar ist die Fähigkeit, über den Moment hinaus zu denken, auch wenn es unbequem ist, ein wichtiger Faktor für langfristigen Erfolg.

Ich frage mich manchmal, wie Verantwortungsträger in Wirtschaft und Politik beim Marshmallow-Test abschneiden würden. Wie sehr ist unsere Gesellschaft noch in der Lage, über den Tag hinaus zu denken?

Nehmen wir die VW-Affäre: Da wollte man 100 Euro pro Auto einsparen – soviel hätten wohl laut manchen Presseberichten die etwas besseren Filter gekostet, die die Schadstoffgrenzen eingehalten hätten. 100 Euro eingespart. Marshmallow gegessen. Der langfristige Schaden ist nun gigantisch, nicht nur für VW.

Nehmen wir die Geldpolitik: Da flutet man mit extrem billigem Geld die Märkte, anstatt mit echten Reformen die Volkswirtschaften wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen: Marshmallow gegessen. Die nächste Finanzkrise ist damit schon vorprogrammiert.

Nehmen wir die Interventionen im Irak, in Libyen: Da wollte man schnellen Regime-Change haben, Terror bekämpfen. „Mission accomplished“, Marshmallow gegessen. Und jetzt? Der nahe Osten ist ein Pulverfass, und es wird vielleicht noch schlimmer kommen, bevor es besser wird.

Und noch ein kleines Beispiel: Vor ziemlich genau einem Jahr musste das Welternährungsprogramm beginnen, seine Essensrationen und Nahrungsmittelgutscheine in den Flüchtlingslagern etwa in Jordanien zu kürzen, sodass hunderttausende Flüchtlinge weniger bzw. gar kein Essen mehr bekamen. Die verzweifelten Rufe an die reichen Staaten, dass dies zur Katastrophe führen würde, verhallten; es fand sich keiner, der die Finanzlücke füllen wollte. Im September dieses Jahres bekamen nur noch ein Drittel der syrischen Flüchtlinge Nahrungsmittelhilfe von der UN. Die Folgen sind bekannt.

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass es immer einfach ist, politische Entscheidungen zu kritisieren, wenn man selbst keine Verantwortung mehr trägt, und ich weiß auch, wie schwierig es ist, konkrete und akute Sachzwänge mit langfristigen Strategien zu vereinbaren. Deshalb ist die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie auch an uns alle gerichtet, mich eingeschlossen: In unserer Kultur des „alles immer sofort“, der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung (als wären wir alle 6-jährige!) – stehen da kurzfristige und langfristige Interessen noch im richtigen Gleichgewicht? Oder weichen wir nicht den wirklich schwierigen Herausforderungen permanent aus, weil sie zu unbequem sind, weil sie zu Konflikten führen könnten, bis uns aber dann die nächste Krise mit doppelter Wucht trifft?

Wir leben in einer Diktatur der Gegenwart, obwohl wir nichts dringender bräuchten als eine Demokratie der Weitsichtigkeit.

Ich glaube, dass die großen Konflikte unserer Zeit gar nicht so sehr zwischen verschiedenen Staaten oder Branchen oder Gesellschaftsgruppen stattfinden, sondern zwischen uns und unseren Enkeln, zwischen einer Politik für das Heute und einer Politik für das Morgen.

Wenn ich also frage, wie eine Welt ohne Armut und Umweltzerstörung möglich ist, dann stelle ich auch die Frage danach, welchen Mut wir zu langfristigen politischen Visionen haben, welche Phantasie über unsere gemeinsame Zukunft. Und ich stelle die Frage danach, welche Kraft wir haben, uns heute schon so zu verändern, dass auch unsere Enkel eine gute Zukunft haben.

III.

Werfen wir einen kurzen Blick in diese Zukunft. Auf der Erde leben heute über sieben Milliarden Menschen. Im Jahr 2050 werden es zehn Milliarden sein. Ich werde das nicht mehr erleben, aber Ihre Kinder und Enkel schon. Während Europa mit heute etwa einer halben Milliarde Einwohner eher schrumpfen wird, werden allein auf unserem Nachbarkontinent Afrika dann über zwei Milliarden Menschen leben – doppelt so viel wie heute, und damit doppelt so viele, eine Milliarde mehr, die Ausbildung, Arbeit, Perspektiven brauchen. Aber schon heute haben 750 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser; schon heute sterben fast 30.000 Kinder unter 5 Jahren täglich (täglich!), die allermeisten an vermeidbaren Krankheiten. Das ist an sich schon ein Skandal. Jedes Kind, das im 21. Jahrhundert an Durchfall stirbt, ist ein Schandmal für unsere Zivilisation. Dennoch klafft die globale Schere zwischen den extrem Armen und den extrem Reichen immer weiter auseinander. Die reichsten 85 Menschen dieser Erde besitzen genauso viel Vermögen wie die ärmste Hälfte (50%!) der Weltbevölkerung. Das ist vom Verhältnis in etwa so, als würde ein einziger Deutscher genauso viel besitzen wie die Hälfte der gesamten deutschen Bevölkerung. Kann irgendjemand glauben, dass eine solche Entwicklung Bestand haben kann? Wenn wir es heute schon nicht schaffen, trotz nie zuvor dagewesenen Reichtums, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, wie sollen da 10 Milliarden Menschen versorgt werden?

Der Internationale Währungsfonds hat berechnet, dass allein in Afrika jährlich 18 Millionen Jobs geschaffen werden müssten, um die wachsende Jugendbevölkerung auf dem Arbeitsmarkt zu absorbieren. 18 Millionen Jobs. Jährlich. So etwas gab es in der Geschichte der Menschheit noch nie. Sind wir uns bewusst, was das bedeutet, auch für uns hier in Europa? Wenn für diese Menschen keine Perspektiven entstehen, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, dann werden sie die Dinge einfach anders in die Hand nehmen. Dann müssen wir mit Migrationsbewegungen rechnen, die das Flüchtlingsjahr 2015 weit in den Schatten stellen werden. Und dann werden wir uns an extreme Konflikte und neue massive Instabilitäten gewöhnen müssen: Der Terror junger Männer wird nicht zuletzt auch vom Dünger der Perspektivlosigkeit genährt.

Die Aufgabe liegt auf der Hand: die armen Länder brauchen massives Wirtschaftswachstum, sodass dort mehr Straßen, mehr Schulen, mehr Krankenhäuser, mehr Kraftwerke gebaut werden, sodass Industrialisierung und Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze entstehen, die den Menschen ein Einkommen ermöglichen.

Diese Antwort hat aber einen Haken, einen gewaltigen Haken.

Denn von welchen natürlichen Grundlagen soll sich dieses massiv benötigte Wachstum eigentlich nähren? Das Wirtschaftsmodell bei uns, in den reichen Ländern, das uns ein historisch nie da gewesenes Niveau an Wohlstand beschert hat, geht zurzeit damit einher, dass es sich mehr nimmt, als ihm zusteht. 20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 80 Prozent der Ressourcen. Wenn alle Menschen so konsumieren und produzieren würden wie wir in den Industrieländern, dann bräuchten wir mehrere Planeten in Reserve. Die bittere Wahrheit ist, dass wir unseren Wohlstand auf Pump aufgebaut haben – und wir sind eben nicht nur in ökonomischer, sondern auch in ökologischer Sicht hochverschuldet.

In vielen Ökosystemen nähern wir uns gefährlichen Kipppunkten, die, einmal erreicht, schwer absehbare und kaum mehr kontrollierbare Folgen haben werden. Pro Jahr gehen etwa 13 Mio. Hektar Waldfläche verloren, v.a. weil sie in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt werden, was die globale Ökobilanz massiv verschlechtert. Der historisch einmalige Verlust der Biodiversität birgt noch ungeahnte Risiken. Und wenn die Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad Celsius gelingen soll, dürfen bis 2050 nur noch etwa 750 Milliarden Tonnen CO2 aus fossilen Quellen in die Atmosphäre gelangen. Aber diese Grenze wäre selbst dann schon 2040 überschritten, wenn die Menschheit auch nur weiterhin so viel CO2 emittiert wie heute. Wir müssten die Emissionen also rasant reduzieren, statt sie wie bisher weiter zu erhöhen. Erst vor zwei Wochen wurde wieder gemeldet, dass der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen einen neuen Rekordstand erreicht hat. Die UN rechnet übrigens in den nächsten 3 Jahrzehnten mit bis zu 200 Millionen Klimaflüchtlingen, die wegen Dürren und Überschwemmungen ihr Heimat verlassen müssen. Wohlgemerkt, dass ist keine biblische Plage, sondern das Ergebnis des menschengemachten Klimawandels!

Ich wiederhole also die Frage: Von welchen natürlichen Grundlagen soll sich das in den armen Ländern benötigte massive Wachstum eigentlich nähren? Wie soll angesichts der ökologischen Grenzen unseres Planeten und einer wachsenden Weltbevölkerung die extreme Armut bekämpft werden? Ist das nicht eine Quadratur des Kreises? Wenn wir so weitermachen wollen wie bisher, stehen wir vor der Wahl: entweder wir lassen große Teile des globalen Südens in Armut und Konflikt verharren, oder aber wir fahren den Planeten vor die Wand. In beiden Szenarien ist nicht erkennbar, wie wir unser Wohlstandsniveau in den Industrieländern halten können.

Wenn wir so weitermachen wie bisher. Die Alternative ist eine neue große Transformation, deren Ausgangspunkt die Begrenztheit der Ressourcen auf diesem Planeten sein muss – und die der Interdependenz allen Geschehens auf der Erde Rechnung trägt.

IV.

Meine Damen und Herren,

was ist das Merkmal, das dieses 21. Jahrhundert so sehr unterscheidet von allem, was die Menschheit bisher kannte? „Das Internet!“ würde mir mein ältester Enkel wohl mit großer Selbstverständlichkeit antworten, und damit käme er der Sache schon recht nahe, jedenfalls wenn wir „Internet“ einmal wörtlich nehmen: Vernetzung. Ich glaube, dass es eine politische, wirtschaftliche und ökologische Realität gibt, der wir nicht mehr entkommen können, nämlich die unwiderrufliche Interdependenz allen Geschehens auf diesem Planeten. Diese Interdependenz, also gegenseitige Abhängigkeit, bekommen wir zu spüren bei den Umweltkatastrophen, die sich durch die globale Erwärmung mehren, bei Ebola, bei Finanzkrisen, beim Terrorismus, und in fast überwältigender Konkretheit bei der aktuellen Flüchtlingskrise. All das sind Dinge, die an Ländergrenzen nicht halt machen; Herausforderungen, die sich national nicht lösen lassen. Damit ist auch die Bekämpfung der extremen Armut in der Welt oder die Frage, welchen Entwicklungspfad die Inder oder die Chinesen oder die Afrikaner nehmen in unserem ureigenen, direkten Interesse. Jürgen Habermas hat die Welt in diesem Sinne einmal als „unfreiwillige Risikogemeinschaft“ bezeichnet. Ich sage, etwas platter: Wir sitzen alle in einem Boot.

Genau so wie unser Handeln Auswirkungen auf die anderen hat, hat das Handeln der anderen Auswirkungen auf uns. Eine Banalität, vielleicht – klar hängt irgendwie alles mit allem zusammen–, aber können wir von unserer Politik wirklich behaupten, sie hätte diese Realität der globalen Interdependenz schon in ausreichendem Maß zum Ausgangspunkt, zur rahmengebenden Qualität ihrer Entscheidungsprozesse gemacht?

Was daraus folgt, ist doch: Kein Land der Welt, so reich und mächtig es auch sein mag, kann seinen Wohlstand auf Dauer erhalten, ohne die Perspektiven der anderen Länder zu berücksichtigen. Ein Wohlstandsmodell, das von vornherein darauf angelegt ist, nur einem kleinen privilegierten Teil der Weltbevölkerung Wohlstand zu bringen, ist also nicht nur moralisch untragbar, sondern auch ökonomisch, ökologisch und politisch langfristig zum Scheitern verurteilt.

Die Interdependenz auf dieser Erde schreit also geradezu nach einem neuen Modell, einem neuen Paradigma, nach einer neuen großen Transformation.

V.

Der Begriff „große Transformation“ mag etwas irreführend sein; er hört sich ein bisschen nach globalem Masterplan an, den es natürlich nicht geben kann; und er verschleiert, dass es sich eigentlich um unzählige Transformationen handelt, um viele Veränderungen in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft, die sich in der langen Frist zu einem großen Wandlungsprozess fügen. Lassen Sie mich einige Gedanken dazu formulieren:

Erstens: zu diesem Wandlungsprozess gehört eine Dekarbonisierungs- und Effizienzrevolution, vor allem in den Industrieländern. Unsere Produktions- und Konsummuster müssen sich ändern, unsere Art der Energieerzeugung, der Landwirtschaft, der Mobilität. Wir müssen unsere Wirtschaft von der Abhängigkeit von fossilen Ressourcen lösen. Dazu gehören auch Preise, die die ökologische Wahrheit sagen, und nicht die negativen Kosten einfach auf andere Erdteile oder zukünftige Generationen abwälzen.

Große Transformation, das heißt zweitens: Wir müssen Wachstum neu denken. Wir brauchen einen Wandel hin zu einem ehrlichen, verantwortlichen Wachstum, also eines, das wir uns mit den unserer Generation zur Verfügung stehenden finanziellen und natürlichen Ressourcen wirklich leisten können. Davor sollten wir uns nicht fürchten. Wir sollten keine Angst haben, dass ein Wachstumspfad von, sagen wir, 1% in den reichen Ländern ins Chaos führt. Angesichts der Grenzen unseres Planeten wäre es jedenfalls verhängnisvoll, wenn wir das Funktionieren der Demokratie prinzipiell von hohen Wachstumsraten abhängig machen. Die historische Evidenz zeigt im Übrigen, dass die Wachstumsrate über einen langen Zeitraum hinweg sinkt. Es kann kein exponentielles Wachstum auf einem endlichen Planeten geben.

Daraus folgt, drittens: Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Dabei geht es nicht um einen „ökologischen Calvinismus“, wie Peter Sloterdijk einmal spottete. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir möglicherweise Lebensqualität dadurch gewinnen können, dass wir unser Glück weniger von materiellen Dingen abhängig machen und indem wir dem Hamsterrad der fortwährenden Konsumsteigerung entkommen. Das kann gelingen, wenn wir nicht nur eine Effizienzrevolution unserer Produktionsweisen initiieren, sondern auch eine Suffizienzrevolution in unserer Kultur. Der Erfolg einer solchen Suffizienzrevolution könnte am Ende entscheidend von der Bereitschaft abhängen (so schreibt es der deutsch- amerikanische Philosoph Vittorio Hösle) den eigenen Erfolg „nicht über die Bedürfnishöhe zu definieren, sondern im Gegenteil aus der Beschränkung der eigenen Bedürfnisse das Gefühl der eigenen Würde zu beziehen“.

Dies wäre auch eine Chance, den ökologischen Raum für das dringend benötigte Wachstum und die Investitionen in den heute noch armen Ländern zu erweitern.

Viertens: Den Wachstumsspielraum gerade für den afrikanischen Kontinent zu erweitern, das ist nicht nur eine ökologische Aufgabe. Schon gar nicht ist es eine reine Aufgabe der Entwicklungshilfe, an die wir allzu oft alles delegieren wollen, was mit Afrika zu tun hat. Nein, eine strukturelle Transformation der afrikanischen Volkswirtschaften hin zu Wertschöpfung und arbeitsplatzschaffendem Wachstum kann nur dann gelingen, wenn wir einen deutlich strategischeren Blick auf Afrika haben als bisher, wenn wir sein riesiges Potenzial wahrnehmen. Wir Europäer sehen in Afrika immer noch den Krisen- und Katastrophenkontinent, obwohl sich in vielen Ländern in unglaublicher Geschwindigkeit und mit großer Kreativität Wirtschaft und Gesellschaft verändern. So sagt unser Bild von Afrika mehr über uns aus als über Afrika selbst. Und somit muss unsere Antwort auf die strukturelle Transformation in Afrika vor allem sein: ändern wir unsere Handelspolitik, damit Afrika nicht mehr nur Rohstofflieferant für die Welt ist, sondern eigenes verarbeitendes Gewerbe entstehen kann. Ändern wir unsere Agrarpolitik, die es Afrika immer noch schwer macht, seine Nahrungsmittelproduktion auf eigene Füße zu stellen. Ändern wir die internationale Steuerpolitik, die noch immer nicht verhindert, dass jährlich 50 Milliarden Dollar Kapital illegal und unversteuert aus Afrika abfließen und in London, Luxemburg oder Zürich landen. Wenn wir also dieser Tage über die Bekämpfung von Fluchtursachen hören, dann sollten wir nicht nur nach Afrika und in den Nahen Osten schauen, sondern auch auf uns selbst und auf die globalen Rahmenbedingungen, die Entwicklung ermöglichen oder eben nicht.

VI.

Meine Damen und Herren,

aus der Welt der internationalen Politik sind wir schlechte Nachrichten so sehr gewohnt, dass wir die guten manchmal gar nicht mehr wahrnehmen. In New York, bei den Vereinten Nationen, haben die Staats- und Regierungschefs dieser Welt vor knapp zwei Monaten auf dem größten Gipfel der Geschichte einen Beschluss gefasst, der einen Rahmen schafft für die große Transformation: Die sogenannte 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung (Der vollständige Titel des Gipfelbeschlusses lautete „Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development“). Der Anspruch: die erste Generation sein, welche die extreme Armut beendet, und die letzte, die vom Klimawandel bedroht ist.

Kern dieser neuen globalen Agenda sind 17 konkrete Ziele, zu denen sich die VN- Mitgliedsstaaten verpflichtet haben – Ziele, welche die soziale, ökonomische und ökologische Dimension von Entwicklung miteinander verknüpfen. Kein Masterplan, aber eine konkreter Vorstellung darüber, was sich in den nächsten 15 Jahren ändern muss: da ist das Ende der extremen Armut darunter, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Bildungsstandards, aber auch die Verdopplung der globalen Energieeffizienz, der Ausbau von Infrastruktur, der Schutz der Meere, der Kampf gegen die Korruption… Und im Gegensatz zu den Vorläufer-Zielen, den Millennium-Entwicklungszielen, die in diesem Jahr auslaufen und die auf die armen Länder gerichtet waren, ist diese neue Agenda eine universelle Transformationsagenda: Sie benennt Veränderungsbedarf im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen. Also auch bei uns.

Nun könnten Sie sagen: Wir haben doch zur Zeit wichtigeres zu tun als so einen komplizierten UN-Prozess mitzumachen und große Visionen zu malen. Syrien, Ukraine, Ebola, Griechenland, Flüchtlinge. All diese Krisen ermüden Bürger und politische Verantwortungsträger zugleich. Wer könnte da einem übel nehmen, die ökologisch-soziale Transformation unserer Volkswirtschaften auf bessere Zeiten verschieben zu wollen; verschieben auf den Tag, an dem wir wieder Kraft und Mut und einen klaren Kopf haben, um diese gigantische Zukunftsaufgabe anzugehen? Können wir wirklich jetzt, in Zeiten der globalen Unordnung, innereuropäischen Zerrissenheit und deutschen Erschöpfung, können wir wirklich jetzt unsere Gesellschaft umbauen, unser Wachstumsverständnis überdenken, die globale soziale Frage neu stellen, einen neuen Blick etwa auf Afrika wagen? Ja, wir können und wir müssen; und zwar nicht trotz, sondern wegen der Krise. Wir brauchen eine große strategische Antwort auf die jetzt für alle sichtbare Weltunordnung. Die 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung könnte eine Zeitenwende im globalen politischen Diskurs begründen. Sie kann eine Chance sein, dem Narrativ der Krisen und der Konfrontation eine neue Erzählung der Kooperation, der Solidarität und der gegenseitigen Rechenschaftspflicht zum gemeinsamen Nutzen entgegenzustellen, ein neues Paradigma der globalen Partnerschaft; ein Paradigma, das Konsequenzen zieht aus der Tatsache, dass wir alle in einem Boot sitzen. Ein solches Paradigma könnte Orientierung geben in dieser von Angst vor dem Zerfall geprägten Zeit.

Darüber hinaus bin ich fest davon überzeugt, dass die Weichenstellung auf ein post-fossiles Zeitalter Kreativität und Innovationen freisetzen wird, die auch die Volkswirtschaften wieder in Schwung bringen werden. Gerade wir Deutschen, die wir zu Recht stolz sind auf unsere Ingenieurskunst, auf die Innovationsnischen unseres Mittelstands, auf unsere Vernetzung mit der Weltwirtschaft, auf unseren Sinn für’s Grüne, gerade wir können und dürfen uns das zutrauen und sollten hier mutig vorangehen. Die Sparkassen mit ihrer lokalen Verwurzelung könnten übrigens Treiber einer solchen Avantgarde sein, müssten Transmissionsriemen werden zwischen dem Großen und dem Kleinen, damit die globale Transformation in vielen lokalen Innovationen konkret wird.

VII.

Meine Damen und Herren,

es ermutigt mich, dass ich ein großes Bewusstsein auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger wahrnehme, dass es so wie bisher irgendwie nicht mehr weiter gehen kann. Denn es ist ja so: die globale Partnerschaft ist natürlich zunächst ein Anspruch an die Staaten und Regierungen, die ihre Politik endlich den neuen Realitäten der interdependenten Welt anpassen müssen. Von dieser Verantwortung kann sie keiner befreien. Als Elitenprojekt wird die 2030 Agenda jedoch nicht funktionieren. Sie muss von unten wachsen. Politische Veränderungen und das ethische Verhalten des Einzelnen tragen vor allem dann Früchte, wenn sie ineinandergreifen und sich ergänzen.

Bei den verschiedenen Vorträgen und Diskussionsrunden, die ich in den vergangenen Monaten zu diesem Thema geführt habe, kam immer wieder die Frage, gerade auch von jungen Leuten: Was kann ich dazu beitragen? Viele Menschen fangen heute schon an mit einem Leben, das die Achtsamkeit sucht gegenüber Umwelt und globaler Gerechtigkeit, und warten nicht auf die große Politik. Sie zeigen heute schon, dass es nicht um Zwang oder stupiden Verzicht geht, sondern z.B. darum, anders zu konsumieren. Viele Menschen entdecken, dass sie Lebensqualität gewinnen können, wenn sie den Mut haben, ihren bisherigen Lebensstil in Frage zu stellen. Überprüfen wir doch alle unverkrampft die ein oder andere Gewohnheit im Lichte ihrer globalen Auswirkungen. Wussten Sie, dass man 2% der CO2-Emissionen einsparen könnte, wenn alle nur noch LED-Lampen benutzen würden? Oder dass der globale Fleischkonsum für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich ist als der weltweite Verkehr? Muss es wirklich jeden Tag Fleisch sein?

„Lasst uns menschenwürdig leben, dann ist auch unsere Zeit gut. Wie wir sind, so ist die Zeit“ schrieb der Kirchenlehrer Augustinus schon um das Jahr 400, und es gibt mir unglaublich viel Mut und Hoffnung, dass auch und gerade in diesem neuen Jahrtausend viele Menschen entschlossen sind, im ganz persönlichen Umfeld zu einer menschenwürdigen Gegenwart und Zukunft beizutragen; und wenn mich der flüchtige Eindruck nicht täuscht, den ich beim Lesen über Singen, über Radolfzell, über Stockach in Vorbereitung auf diesen Abend gewonnen habe, dann gibt es solche Menschen auch hier.

VIII.

Meine Damen und Herren,

ich weiß, dass es wie derzeit überall in Deutschland auch hier im Hegau viele Ehrenamtliche gibt, die sich mit ungeheurem Einsatz dafür engagieren, dass die Flüchtlinge, die zu uns nach Deutschland kommen, gut aufgenommen werden. Und damit komme ich zuletzt zu einem Thema, das vielen von uns auf dem Herzen liegt, und ich kann nur schwer über eine Welt ohne Armut sprechen, ohne auch einige Gedanken zur aktuellen Krise loszuwerden.

Ich weiß, dass die Zweifel in der Bevölkerung zunehmen, die Sorge, wie wir das schaffen können, dass auch der Ton rauer wird in den Debatten. Manchmal weiß ich nicht, was mir mehr Unbehagen bereitet, die so große Zahl an Menschen, die bei uns Schutz und Perspektiven suchen, oder das Klima des Misstrauens, des Hasses und auch der Gewalt, das im virtuellen und im realen Deutschland um sich greift.

Lassen Sie mich zunächst das sagen:

Ich bin ein Flüchtlingskind. Die Geschichte meiner Familie ist die Geschichte von Flucht, Zerstörung und von zerbrochenen Lebensträumen, aber auch von Widerstandskraft, Hilfsbereitschaft und Neubeginn. Meine Vorfahren väterlicherseits waren im 19. Jahrhundert von Deutschland nach Russland ausgewandert. Meine Eltern lebten in Bessarabien im heutigen Moldawien. Sie ließen sich dann 1940 von den Nazis zur sogenannten „Heimkehr ins Reich“ verführen, verbrachten zwei Jahre in einem Lager in Österreich, bis sie in Ostpolen angesiedelt wurden, wo die Nazis ihren Germanisierungswahn verwirklichen wollten. Dort bin ich geboren, aber schon kurze Zeit später, ich war noch keine 2 Jahre alt, musste meine Familie im kalten Winter 1944/45 vor der roten Armee nach Ostdeutschland flüchten. Auch dort, in der DDR, hatten meine Eltern kein Glück. Nach einem Streit mit dem örtlichen SED- Funktionär flohen sie Ostern 1953 mit den jüngsten Kindern über Berlin nach Westdeutschland. Dann lebten wir bis zum Herbst 1957 in Flüchtlingslagern, als wir in Ludwigsburg eine kleine Sozialwohnung bekamen. Erst als ich 14 Jahre alt war, konnte ich zum ersten Mal wieder „zuhause“ sagen.

Warum erzähle ich das?

Ich erzähle das, weil ich es kenne, das sorgenvolle Geflüster der Eltern, den Aufbruch ins Ungewisse, den Geruch von Erschöpfungsschweiß im überfüllten Notaufnahmelager; und weil ich sie kenne, die misstrauischen Blicke und die Schimpfwörter der Alteingesessenen über die Neuankömmlinge. Und deshalb weigere ich mich, in Menschen in Bedrängnis eine pauschale Bedrohung zu sehen. Ich weigere mich, in einem Flüchtling zunächst etwas anderes zu sehen als ein Mensch in Not auf der Suche nach einer neuen Heimat, auf Zeit oder für immer. Und ich bin dankbar, in einem Land zu leben, in dem sich viele, viele Menschen ebenso weigern, sich von den Parolen der Vereinfachung und des Generalverdachts locken zu lassen.

Ich erzähle meine persönliche Geschichte auch, weil wir uns manchmal daran erinnern sollten, dass unser Land, dass Europa schon weitaus Schlimmeres meistern musste und meistern konnte; und weil wir uns erinnern sollten, dass die Deutschen in der Geschichte oft selbst zu Flüchtlingen wurden. Ich kann sie also nicht wirklich verstehen, die teilweise aufkommende Panikstimmung und die Grabgesänge auf das Abendland. Übrigens ein Abendland, das sich auf ein Kind beruft, das in einer Scheune geboren wurde, weil die Eltern keine Herberge fanden; ein Kind, das später mit seiner Familie vor einem Tyrannen fliehen musste. Das sind die Wurzeln des christlichen Europas, die wir verteidigen müssen!

Wir sollten uns auch ins Bewusstsein rufen, dass die wirkliche Katastrophe immer noch im Nahen Osten stattfindet, in Syrien, in Afghanistan, im Irak, in Libyen, und in den angrenzenden Staaten wie dem kleinen Libanon, das mit seinen 4 Millionen Einwohnern 1,4 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat.

Natürlich heißt das alles nicht, dass wir nicht die kritischen, auch harten Fragen stellen dürfen, stellen müssen: Wieviel können wir aufnehmen? Was können wir leisten, damit der Helfer nicht selbst zum Bedrängten wird? Wie bekommen wir die Situation an den Grenzen wieder unter Kontrolle? Wie kommen wir zu einer fairen Lastenverteilung innerhalb Europas? Wie funktioniert die Integration? Was muss getan werden, damit Migrantenstatus nicht mit Perspektivlosigkeit einhergeht?

Und natürlich müssen wir auch selbstkritisch fragen, wie es eigentlich zu dem jetzigen Chaos kommen konnte, denn es war voraussehbar, vielleicht auch vermeidbar, jedenfalls stellt es unserer politischen Weitsichtigkeit kein gutes Zeugnis aus. In diesem Zusammenhang muss man sich auch fragen, ob es sich jetzt nicht rächt, dass Deutschland sich so lange einem System der legalen Migration verweigert hat – so drängen jetzt auch solche Menschen durch die Asyltüre, für die diese überhaupt nicht gedacht ist. Mit einem Einwanderungsgesetz, das bestimmte Kriterien anlegt, könnte man vieles steuern und kontrollieren und vielen Menschen einen unnötigen und lebensgefährlichen Weg ersparen.

Um es klar zu sagen: Die Diskussionen um Grenzschließungen, Aufnahmekapazitäten, Sicherheit, Obergrenzen und Familiennachzug sind berechtigt und notwendig. Doch wer jetzt nach Realismus ruft, darf sich vor allem einer Erkenntnis nicht verschließen, auch wenn das viel Gewohntes in Frage stellt: Wir können uns nicht abschotten. Auf manche scheinen die Bilder der Flüchtlinge ja zu wirken wie ein Strom von Menschenmassen, der sich plötzlich über Europa ergießt; wie eine „Draußenwelt“, die unaufhaltsam durch die Ritzen jener Mauer hineinkriecht, welche wir um unsere „Drinnenwelt“ des Wohlstand und der Sicherheit errichtet haben. Das Problem ist nur: Es gab sie nie, diese „Draußenwelt“, es gab auch nie eine „Drinnenwelt“, es gab schon immer nur eine einzige Welt, die wir im Guten wie im Schlechten mitgeprägt haben, und von der wir uns nicht lossagen oder isolieren können. Europa ist keine Insel. Ich weiß, ich wiederhole mich, wenn ich sage: Im 21. Jahrhundert sitzt die Menschheit in einem Boot. Es wäre also nur eine Scheinlösung, nun neue Mauern in unseren Köpfen und an unseren Grenzen hochzuziehen. Wir müssen aufhören, nur auf das Marshmallow vor uns zu stieren, dürfen uns nicht von der Versuchung der schnellen Lösungen verführen lassen und müssen endlich begreifen: eine langfristige Lösung kann nur in einer Politik der Zugewandtheit zur Welt liegen, in einem Bewusstsein, wie sehr die Schicksale der Völker miteinander verknüpft sind. Wer an einer langfristigen Lösung interessiert ist, muss also auch an einer anderen, ernsteren, internationaleren Wirtschaftspolitik, Handelspolitik, Umweltpolitik, Agrarpolitik, Verkehrspolitik interessiert sein, kurzum: an einer Politik, die in ihrer Gesamtheit eine neue internationale Friedens- und Entwicklungspolitik ist.

Deshalb sehe ich in der Flüchtlingskrise auch eine Chance, dass wir aufgerüttelt werden aus unserer Wohlstandslethargie, dass wir die Welt ansehen und sagen: „das können wir besser“, dass wir eine neue Empathie entwickeln für die Menschheit als Ganze, für unser gemeinsames Interesse, für das globale Gemeinwohl. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es möglich ist, eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen in Würde leben können, in der kein Kind mehr an Durchfall sterben muss, und dass diese Welt die natürlichen Grenzen des Planeten respektieren kann.

Die Menschheit steht vor gigantischen Herausforderungen. Doch die Probleme dieser Welt sind von Menschen gemacht, also können sie auch von Menschen gelöst werden. Lassen wir uns also nicht bange machen. Wagen wir den langfristigen Blick, die große Linie. Es ist ein steiniger, unbequemer Weg, und doch gleichzeitig ein Weg ungeahnter Möglichkeiten. Die Widerstände sind enorm, weil jede Veränderung Widerstände hervorruft. Aber die globale Interdependenz zwingt gerade diejenigen, die einen Platz auf der Sonnenseite der Welt haben, in die Verantwortung: nämlich so lange nicht zu ruhen, bis die dem Menschsein innewohnende Verheißung, mit dem eigenen Potenzial zu Glück und Wohlbefinden zu finden, allen Menschen auf diesem Planeten zuteil wird.

Vielen Dank