Video-Grußwort

50jähriges Jubiläum Landkreis Schwäbisch Hall

23. Mai 2023



Als der Landkreis Schwäbisch Hall im Zuge der baden-württembergischen Kreisreform 1973 in seinen erweiterten Grenzen aus der Taufe gehoben wurde, war die Welt noch eine andere. Sie zerfiel damals in zwei Blöcke: West und Ost. Nato einerseits und Warschauer Pakt andererseits prägten die bipolare Weltordnung.
Doch schon damals, in den „langen 1970er Jahren“ (etwa 1968-1981), wurde eine Entwicklung sichtbar, die zunächst mit dem Begriff der „Interdependenz“, später dann mit dem Begriff der „Globalisierung“ bezeichnet wurde: vor allem durch Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie internationale Finanzströme und Prozesse der Arbeitsteilung erwuchs ein globales Geflecht aus transnationalen Akteuren, Ebenen und Netzwerken. Die zunehmende Interdependenz und Verflechtung des internationalen Handels und der Weltwirtschaft wurde – gerade in Anbetracht des „Ölschocks“ im Herbst 1973 – von vielen als Bedrohung wahrgenommen. Doch sie führte de facto auch zu Entspannung zwischen den Blockmächten und war eine Ursache für das Ende des Kalten Krieges. „Wandel durch Handel“ fand statt.
Doch heute? Am Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sprach Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar vergangenen Jahres zu Recht von einer „Zeitenwende“. Seitdem sind Politik und Wirtschaft bemüht, Risiken, die aus zu großen Abhängigkeiten resultieren, abzubauen. Das nennt sich „De-Risking“ und scheint mir richtig und notwendig. Zu warnen ist allerdings vor den Rufen nach einem „De-Coupling“, einem neuen Abschotten der Wirtschaftsräume in West und Ost voneinander.
Gerade mit Blick auf die großen Herausforderungen vor denen wir als Weltgemeinschaft stehen, können wir uns als Menschheit nicht leisten, ins Gegeneinander zu flüchten. Wir brauchen mehr Miteinander, internationale Partnerschaften und gemeinsame Netzwerke. Ob im Kampf gegen den Klimawandel oder gegen Hunger und Armut auf unserem Planeten: Nur im internationalen Verbund werden wir diesen großen Herausforderungen begegnen können.
Schon 2015 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung einen Weg beschrieben, den es zu gehen gilt, um allen Menschen auf der Erde ein Leben in Würde, in Frieden und Gerechtigkeit ermöglichen zu können.
Dieses Programm bedarf dringend der Umsetzung. Dazu ist nicht nur die „große Politik“ an der Spitze nationaler Regierungen gefragt. Gestalt nimmt die Verwirklichung der 17 Entwicklungsziele der Vereinten Nationen vielmehr vor Ort an: in den Gemeinden, Städten und Landkreisen.
Bundespräsident Roman Herzog nannte die Kommunen einmal mit Recht „Schulen der Demokratie“ und stellte fest: „Nirgendwo sonst sind politische Entscheidungen direkter und erfahrbarer, nirgendwo sonst greifen sie unmittelbarer in das persönliche Lebensumfeld ein. Sie sind näher am Bürger als Landesverwaltungen, Bund oder Brüssel.“
Gemeinsam mit Städten und Gemeinden kommt den Landkreisen eine wichtige Rolle für die Bewältigung der großen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, zu. Hier müssen die Lösungsansätze für nachhaltiges Handeln und Wirtschaften in die Tat umgesetzt werden. Hier muss Verständigung geübt werden und internationale Kooperation gesucht werden.
Im Landkreis Schwäbisch Hall geschieht dies schon lange. Ich nenne als besonders aktuelles Beispiel die intensive Partnerschaft des Landkreises Schwäbisch Hall mit dem Landkreis Zamość in Polen. Bereits vor über 20 Jahren, im November 2002, wurde die Partnerschaftsurkunde mit Zamość unterzeichnet. Schon Jahre zuvor bestanden Kontakte in den Südosten Polens, die dem früheren Schwäbisch Haller Landrat Ulrich Stückle ein Herzensanliegen waren und die es seit vielen Jahren nun auch für seinen Nachfolger im Amt, Gerhard Bauer, sind. Für dieses Engagement bin ich Ihnen, Herr Landrat Bauer und Ihnen, Herr Landrat Grześko, sehr dankbar.
Ich hatte bereits mehrfach Gelegenheit, mich von der Kraft und den Ideen der Zusammenarbeit zwischen den Kreisen Schwäbisch Hall und Zamość zu überzeugen. Zuletzt im November des vergangenen Jahres, als Landrat Gerhard Bauer und sein polnischer Amtskollege Stanisław Grześko gemeinsam mit dem polnischen Präsidenten Duda und mir der Opfer der sogenannten „Aktion Zamość“ gedachten. An meinem Geburtsort in Skierbieszów erinnerten wir uns an das entsetzliche Leid, das den Menschen in der Region Zamość unter der deutschen Besatzung widerfuhr und an die Verbrechen, die Deutsche während des Zweiten Weltkriegs dort begangen haben.
Wir durften aber auch wahrnehmen, dass sich im Rahmen der Europäischen Union mannigfache Beziehungen in Wirtschaft und Gesellschaft zum Nutzen beider Staaten entwickelten. Und ich begrüße sehr, dass die in Polen erarbeitete Ausstellung „Die Kinder von Zamość“ jetzt auch – in deutscher Sprache – im Landratsamt Schwäbisch Hall zu sehen ist und dass Landrat Grześko heute bei Ihnen zu Gast ist. An das Schicksal der „Kinder von Zamość“ zu erinnern, ist eine bleibende Aufgabe – für Polen und Deutsche.
Die nationalen und internationalen Kooperationen des Landkreises Schwäbisch Hall zeigen, dass der Kreis weit über seine Grenzen hinaus denkt und wirkt. Ich möchte Sie dazu ermutigen, gerade in diesen unruhigen Zeiten, an den über Jahre gewachsenen Beziehungen festzuhalten, sie auszubauen und zu stärken. Unsere Welt braucht nicht weniger, sondern mehr Begegnung und Wissen voneinander und mehr Kooperation.
Und Deutschland braucht starke Kommunen, die über den eigenen Tellerrand hinaus denken, die sich auf Neues und Fremdes einlassen, die zuverlässige und kreative Partnerschaften eingehen und damit zeigen, dass die Vielfalt der Welt keine Bedrohung darstellt, sondern ein Geschenk der Schöpfung und eine Quelle des Fortschritts für alle. Mit einem solchen Geist lassen sich auch die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zum Nutzen aller Menschen meistern.
Dem Landkreis Schwäbisch Hall, seinem Landrat und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort gratuliere ich von Herzen zum 50-jährigen Bestehen. Bleiben Sie in Schwäbisch Hall auch in Zukunft weltoffen, neugierig und hilfsbereit! Tragen Sie Schwäbisch Hall im Herzen und behalten Sie Deutschland, Europa und die Welt im Blick!